Erinnerungen an die Werkssiedlung der Spinnerei in der Fallenbachstraße

Im März 2014 begannen die Abbrucharbeiten der Werksiedlung in der Fallenbachstraße.

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Die Werkssiedlung der Spinnerei hatte eine wichtige Sozialfunktion der in der Ortsgeschichte von Wannweil. Der Ablauf ist in den Bauakten hervorragend dokumentiert. Die letzten Bewohner der ab 1942 erstellten Werks-Baracken waren froh, in die Neubauten der 1950er Jahre umziehen zu können. Herrschte doch in dieser Zeit auch in Wannweil noch die Wohnungs-Zwangswirtschaft.

Das Vorhandensein dieser Werkswohnungen machte der Spinnerei auch die Gewinnung von Arbeitskräften leichter. In den 1970er Jahren waren die Ausländer froh, neben Arbeitsplätzen in Wechselschicht, auch eine günstige Wohnung angeboten zu bekommen. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wuchsen natürlich die Wohnansprüche. In manche Wohnung wurde neben der bereits mit Wasserspülung versehenen Toilette auch ein jetzt dringend gewünschtes Bad eingebaut. Betriebsleiter Eugen Schweitzer hatte auch die Wohnungen zu verwalten. Dabei musste er manchen Streit schlichten, wie er beim Zeitzeugengespräch im April 2013 in der Gemeindebücherei berichtete. Für die zahlreichen Kinder bot die freie Umgebung ein gefahrloses Spielen, abseits vom Autoverkehr. Das war ein Idyll, welches man sich heute kaum mehr vorstellen kann.

Bei der letzten Volkszählung im Mai 2011 hatte der Verfasser dieses Beitrags, Botho Walldorf, Gelegenheit, mit den Bewohnern von Amts wegen persönlich zu sprechen. Türkische Familien waren froh ob dieser Mietwohnungen. Ein Verkaufsleiter deutscher Nationalität freute sich an dem großen Wohnzimmer mit Ausblick auf die Echazaue mit den dort weidenden Pferden.

Nachdem im Frühjahr 2014 die letzten Mieter eine neue Bleibe gefunden hatten, konnte mit den Abbrucharbeiten begonnen werden. Für manche Mieter war der Auszug schmerzlich, hatten sie doch mehrere Jahrzehnte ihres Lebens in diesen Werkswohnungen voll Zufriedenheit verbracht, wie dem damaligen Volkszähler, B. Walldorf, mehrfach mitgeteilt wurde. Manche Mieter wechselten aufgrund ihres hohen Lebensalters gleich in eine seniorengerechte Wohnung.

Die Umwidmung des Spinnerei-Geländes wird in den folgenden Jahren zahlreiche neue Berichte und Digitalfotos entstehen lassen.

Im Gemeindearchiv Wannweil haben sich eine ganze Anzahl Baupläne ab 1870 erhalten. Die schwierige Zeit der Beschäftigung von Zwangsarbeitern ab 1943 durch die Daimler-Benz AG  ist in Karteikarten und Schriftstücken dokumentiert. Die ab 1948 zugewiesenen Heimatvertriebenen mussten ihren Fluchtweg auf ähnlichen Karteikarten niederschreiben lassen. Die Spinnerei, die um 1953  ihre größte Mitarbeiterzahl aufwies, bot zahlreichen Flüchtlingen Arbeit, um eine neue Existenz aufzubauen. Nachdem die Deutschen in den folgenden Jahrzehnten in die besser zahlende Metallindustrie abgewandert waren, nahmen Ausländer die Arbeitsplätze in der Spinnerei ein. Die Ausländer bewohnten aber auch jahrzehntelang alte Häuser im Wannweiler Ortskern, beispielsweise in der Degerschlachter Straße. Dort waren die Mieten auch günstig.

Bei den Abbrucharbeiten kommt auch manches zu Tage, was man schon verdrängt hat: Elektrische Leitungen auf Putz gelegt, Waschkessel zur Befeuerung mit Holz und Kohle, aber auch alte Steckdosen und Klingelknöpfe, die jahrzehntelang ihre Funktion erfüllt haben.

Die Fortschreibung der Geschichte des Spinnerei-Geländes von der landwirtschaftlichen Nutzung vor 150 Jahren bis zur Verwendung als Künstler-Atelier ab 1988 bis 2014 ist eine spannende Aufgabe für die Geschichtswerkstatt Wannweil.

Botho Walldorf

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